Kurzgeschichten


Zusammenhalt

Die Eltern waren es leid, dass sich ihre sieben Kinder dauernd stritten. Eines Tages rief der Vater die Kinder ins Wohnzimmer. Auf den Tisch legte er sieben gleichdicke Stöcke, die mit einer Schnur zu einem Bündel zusammengebunden waren,

"Ich bin bereit, demjenigen von euch hundert Mark zu geben, der es schafft, diese Stöcke zu zerbrechen", forderte er seine Kinder auf. Jedes seiner Kinder bemühte sich, doch schließlich mussten sie einsehen, dass es ihnen trotz aller Anstrengung nicht möglich war, das Bündel zu zerbrechen.

"Nun, ihr habt euch bemüht und erkannt, dass ihr diese Stöcke nicht zerbrechen könnt", sagte der Vater. "Und doch ist nichts leichter als das." Er öffnete die Schnur, nahm einen Stock in die Hände und zerbrach ihn. Und auch die anderen Stöcke zerbrach er, einen nach dem anderen, ohne die geringste Anstrengung.

Die Kinder protestierten und meinten, das sei ein ganz lausiger Trick. Doch sie wurden still und nachdenklich, als der Vater ihnen sagte: "So wie es den Stöcken erging, wird es euch ergehen. Denn ihr seid wie diese Stöcke, Solange ihr zusammenhaltet, seid ihr stark, wie dieses Bündel, und niemand kann euch in Gefahr bringen. Doch wenn ihr streitet und untereinander uneins seid, wenn ihr auseinander geht und nichts mehr voneinander wissen wollt, dann kann es jedem von euch ergehen wie diesen Stöcken, die jetzt zerbrochen vor euch auf dem Tisch liegen."

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Kultur

Zwei chinesische Lastenträger waren an einer Straßenecke zusammengestoßen. Ein heftiger Streit war entfacht. Passanten blieben stehen und sahen sich das Schauspiel der zwei Streithähne an. Argumente und Beschuldigungen flogen hin und her.

Unter den Neugierigen war auch ein Tourist, der sich die folkloristische Darbietung nicht entgehen lassen wollte. Weil die Schuldzuweisungen immer heftiger wurden, wandte er sich an seinen einheimischen Führer und fragte, ob die beiden Kontrahenten nicht gleich mit Fäusten aufeinander losgehen werden.

"Das glaube ich nicht", antwortete der Chinese, "denn derjenige, der den ersten Schlag tut, würde zugleich auch sein Gesicht verlieren. Denn er gibt durch seinen Angriff zu, dass er der Dümmere ist, weil ihm die Argumente ausgegangen sind."

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Ein dicker Fisch

Ein Geschäftsmann litt seit einiger Zeit an verschiedenen Beschwerden. Doch konnte keine Medizin seine Unpässlichkeit lindern. Sein Hausarzt überwies ihn zu einem Facharzt für psychosomatische Erkrankungen. Nach einer gründlichen Untersuchung erzählte der Arzt folgende Geschichte:

Eine Möwe hatte einen prächtigen Fisch gefangen, und sofort stürzte sich mit lautem Geschrei der ganze Möwenschwarm auf sie. Die Möwen hackten auf sie ein, verletzten sie an verschiedenen Stellen und versuchten mit aller Gewalt, ihr den dicken Fisch wegzuschnappen. Sie ließen nicht von ihr ab, ganz gleich wohin sie sich wendete. Und noch immer kamen andere Möwen hinzu, bis schließlich eine Übermacht der Widersacher zu groß wurde. Da ließ die Möwe den Fisch fallen.

Sofort fing ihn eine andere Möwe auf, und alle Peiniger ließen von der ersten Möwe ab und stürzten sich auf die Möwe mit dem Fisch. Die erste Möwe, nun wieder unbehelligt, ruhte sich auf dem Ast eines Baumes friedlich aus.

Ein Fischer, der das Geschehen beobachtet hatte, dachte bei sich: "Man muss loslassen können, wenn man in Ruhe und Frieden leben will."

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Kleinigkeiten

Jede Woche, wenn der Straßenkehrer auch vor ihrem Haus fegte, kam die Frau heraus, gab ihm ein Glas Limonade und ein Stückchen Gebäck. Er war ein netter alter Mann. dankte freundlich und nahm seine Arbeit wieder auf.

Eines Abends ertönte die Klingel und der Straßenfeger stand vor der Haustüre. In der Hand hielt er ein Sträußchen Blumen und eine kleine Schachtel Pralinen. Er schien etwas nervös, als er der Frau sagte: "Das ist für Sie, liebe Frau, als Dank für Ihre Freundlichkeit."

"Aber das sollten Sie wirklich nicht tun", sagte die Frau etwas verlegen. "Ein Glas Limonade, das ist doch nichts." "Mag sein, dass es nicht viel ist," sagte der Straßenfeger, "aber es ist mehr, als jeder andere getan hat."


Autor:   Wolf Zimmer      E-Mail: wozim@t-online.de
Homepage: http://home.t-online.de/home/wozim und http://www.chiemgau.com/apc&tcp/members/wolf